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Familiendaten der
 Paul Wolfgang Merkelschen Familienstiftung Nürnberg

"Karoline" Pauline Amalie Schürer

weiblich 1805 - 1863  (57 Jahre)


Angaben zur Person    |    Notizen    |    Alles    |    PDF

  • Name "Karoline" Pauline Amalie Schürer 
    Geburt 19 Jan 1805  Augsburg Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort 
    Geschlecht weiblich 
    Tod 11 Mai 1863  Nürnberg,,,,,,,, Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort 
    Personen-Kennung I21309  Paul Wolfgang Merkel
    Zuletzt bearbeitet am 14 Jun 2019 

    Vater Johann Ludwig Schürer,   geb. 3 Mrz 1768, Harburg in Schwaben Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ortgest. 30 Okt 1845, Augsburg Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort (Alter 77 Jahre) 
    Mutter Magdalena Louise Winkler,   geb. 30 Nov 1782, Colmar Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ortgest. 27 Jul 1812, Augsburg Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort (Alter 29 Jahre) 
    Eheschließung 15 Feb 1802  Augsburg Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort 
    Familien-Kennung F10332  Familienblatt  |  Familientafel

    Familie Andreas Volck,   geb. 30 Nov 1800, Strakowitz Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ortgest. 26 Sep1888, Tharandt Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort 
    Eheschließung 14 Nov 1824  Augsburg Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort 
    Kinder 
     1. Ludwig "Gotthold" Volck,   geb. 06 Sep 1825, Augsburg Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ortgest. 21 Dez 1904 (Alter 79 Jahre)
     2. Berta Volck,   geb. 18 Dez 1826, Augsburg Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ortgest. 13 Jan 1897, St. Louis Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort (Alter 70 Jahre)
    +3. Dr. Adalbert Volck,   geb. 14 Apr 1828, Augsburg Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ortgest. 25 Mrz 1912, Baltimore,,,USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort (Alter 83 Jahre)
     4. Marie Volck,   geb. 29 Okt 1829, Augsburg Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ortgest. 28 Okt 1891, Nürnberg,,,,,,,, Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort (Alter 61 Jahre)
     5. Georg Volck,   geb. 15 Jun 1831, Augsburg Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ortgest. 05 Sep 1853, New Orleans...USA Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort (Alter 22 Jahre)
     6. Fritz Volck,   geb. 27 Apr 1833, Augsburg Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ortgest. 16 Aug 1891, Augsburg Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort (Alter 58 Jahre)
     7. Wilhelm Volck,   geb. 18 Nov 1835, Nürnberg,,,,,,,, Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ortgest. 29 Mai 1904, Rostock Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort (Alter 68 Jahre)
     8. Anna Volck,   geb. 23 Dez 1837, Nürnberg,,,,,,,, Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ortgest. 11 Jun 1874, Tharandt Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort (Alter 36 Jahre)
     9. Hedwig Volck,   geb. 28 Apr 1839, Nürnberg,,,,,,,, Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ortgest. 26 Aug 1927, Erlangen Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort (Alter 88 Jahre)
     10. Paul Volck,   geb. 20 Feb 1841, Nürnberg,,,,,,,, Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ortgest. 29 Sep 1893, Brüssel,,,Belgien Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort (Alter 52 Jahre)
     11. Luise Volck,   geb. 21 Apr 1843, Nürnberg,,,,,,,, Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ortgest. 06 Feb 1920, Dresden Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort (Alter 76 Jahre)
     12. Adolf Volck,   geb. 22 Apr 1845, Nürnberg,,,,,,,, Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ortgest. 27 Mrz 1926, Nürnberg,,,,,,,, Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort (Alter 80 Jahre)
     13. Lydia Volck,   geb. 15 Jul 1847, Nürnberg,,,,,,,, Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ortgest. 19 Aug 1847, Nürnberg,,,,,,,, Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort (Alter 0 Jahre)
    Fotos
    Andreas Volck, Caroline Schürer und Kinder
    Andreas Volck, Caroline Schürer und Kinder
    signiert Kaschenreuther 1838
    colorierter Stahlstich (?)
    Zuletzt bearbeitet am 28 Feb 2015 
    Familien-Kennung F9463  Familienblatt  |  Familientafel

  • Notizen 
    • Aufzeichnungen von Hedwig Volck-Summa
      Erinnerung an unsere Mutter Karoline Volck geb. Schürer
      (1805 - 1863)

      (Wenn ich es unternehme, Erinnerungen an dich, gel. Mutter, zu schreiben, so geschieht es, um Deinen Enkeln und Urenkeln die stille Treue vor Augen zu führen, mit der Du die große Lebensarbeit, die Dir geworden, getragen hast. Ich verspreche, nur hier niederzulegen, was ich, da Du noch frisch warst, mit m. Schwester Anna zusammen, aus Deinem eigenen Munde erfahren habe, und nichts dazuzutun.)

      Unsere Mutter wurde geboren am 19ten Jan. 1805. ihr Vater war Joh.Ludw.Schürer, Besitzer einer Eisenhandlung in der Karolinenstr. in Augsburg, ihre Mutter eine geborene Winkler von dort. Sie war das 2. Kind ihrer Eltern u. trug die Namen Karoline, Pauline, Amalie. Eine Schwester Christiane, die später den Kunsthändler Ebert heiratete, was die ältere, nach ihr kamen 3 Brüder Johannes, Julius u. Paul. Gleich nach der Geburt des letzteren bekam die Mutter die Masern und starb rasch dahin. Frau Großmama, eine hochangesehene, alles beherrschende Dame, hat wohl dann kurze Zeit eingegriffen., war aber sehr damit einverstanden, als ihr Schwiegersohn zu einer neuen Ehe schritt. Er wählte eine sehr häusliche tüchtige Frau, die die Töchter zu allem Guten anhielt. Sie war wohl auch gütig, denn ich hörte nie von meiner Mutter die geringste Klage über ihre Stiefmutter. Sie hatte nur einen eigenen Sohn, von dem meine Mutter urteilte: „Er war e fader Bu, so fad brav.“ Hier muß ich einfügen, dass die Schürerschen Kinder oft zu dem späteren Napoleon III. eingeladen waren. Er wohnte mit seiner Mutter einige Zeit in Augsburg u. wenn von ihm die Rede war, verfehlte sie nie zu sagen: mit dem habe ich gespielt.
      Der Frau Großmama muß ich noch einige Worte widmen. Sie beherrschte offenbar die ganze Familie so erhielt sich diese Stellung durch große Geschenke. Sie war eine Frau von feiner Sitte u. vornehmer Lebensführung. Eines Tags als ihre Enkel noch klein waren, kam sie in die Kinderstube, wo sich eben eines vom Töpfchen erhob u. sich seines Produkts freute, das empörte sie. Sie bestellte sofort zwei Nachtstühlchen, worin die Töpfchen standen, auch nicht ohne Produkt; das war aber von Schaumkonfekt u. schmeckte den Kindern vortrefflich, Meine Mutter konnte nicht genug erzählen von dem österlichen Eiersuchen in dem großen alten Haus u. von der Pracht der Weihnachtsgeschenke. Erst versicherte sich Großmama der Wünsche der Enkel. Christiane u. Karoline sowie eine ihnen sehr befreundete Cousine wünschten sich einmal seidne Mäntel. Als sie das Weihnachtszimmer betraten, lagen zwar 3 Mäntel da, aber zerschlissen u. offenbar vom Trödler gekauft. Dennoch küssten die Enkelinnen dankbar die Hand der Geberin. Da ging die Tür auf u. die Magd brachte drei prachtvolle seidne Mäntel: „Ich wollte Euch nur prüfen“, sagte die Frau Großmama.
      Doch zurück zu unserer Mutter Kinderzeit. Sie wuchs in einem sehr wohlhabenden, feinen Hause auf. Ihr Vater gehörte zur Aristokratie der Kaufleute in der alten Reichsstadt. Zur rechten Zeit kam sie in die Schule; das von Stettensche Institut war eben gegründet worden; die erste Frau Direktorin war mit Schürers verwandt, weshalb wir auch viel strenger behandelt wurden! Ob sie leicht u. gern gelernt hat, weiß ich nicht; damals dachte man auch nicht daran, die Mädchen geistig besonders zu fördern. Verließen sie die Schule, so mussten sie einen guten Brief schreiben u. etwas französisch parlieren können.
      Nun kam sie mit der Cousine Degenmeier in die „Nähet“ zur Frau Fritzschanzin. Die nahms sehr genau, die Mädchen lernten zuschneiden und vor allem schön ausbessern. Und von da gings in die Wirtschaft. Unsre Mutter musste einfach alles lernen. Nichts war ihr fremd von der Pastete bis Schneckensuppe. Ihr Vater war etwas Gourmand u. legte jedenfalls viel Wert auf eine gute Küche. Unsre Mutter lernte aber nicht nur Tüchtiges: sie war ein Kochgenie ihr gelang Alles, das einfachste Gericht war schmackhaft, ja einer ihrer Söhne behauptet, Verschiedenes sei mit ihr verschwunden. Aber nicht nur das einfache Arbeiten begann nun, nein, auch das Vergnügen, sie lernte tanzen u. ging auf Bälle. Ganz ärgerlich konnte sie später sagen: jetzt tanzen sie wie die Wilden, aber ihr hättet unsre Menuetts u. Gavotten sehen sollen, da war Grazie drin. Sie war 16 Jahre alt u. zu einem wunderschönen Mädchen erblüht; es war eine bräunliche Schönheit mit semitischen Gesichtsschnitt u. sah offenbar ihrem Vater ähnlich. IhreAugen waren so wunderbar, daß sich später ihr Bräutigam von einem bedeutenden Künstler hat ein Auge auf eine Vorstecknadel malen lassen, u. Jedermann erkannte es als das ihre. Herr Herzog verehrte ihre Cousine, er war ein Bruder des späteren Professors in Erlangen u. ein Freund unseres Vaters° Letzterer hatte nur Augen für unsre Mutter, ebenso war ein Hauptmann Merkel derselben (Ansicht) u. sie war nicht unempfindlich Verehrung. Aber damals wurde das Herz der Tochter nicht gefragt, sie sonnte sich kurze Zeit in dieser Liebe.
      Die Frau Großmama kleidete die beiden Cousinen immer gleich, u. unsre Mutter schwärmte noch von Samtspenzern mit Stahlknöpfen. Diese trugen die beiden, wenn sie in die Kirche gingen, und der junge Volck ~und Hauptmann Merkel fanden sich immer dazu ein. Herr Hertzog war von dem Vater der Cousine abgewiesen worden u. hier sei gleich bemerkt, dass sie bald an einer zehrenden Krankheit starb.
      Unsre Mutter aber wurde dem jungen Volck verlobt; „einem windigen Offizier gebe ich meine Tochter nicht.“ Als das Brautpaar das erstemal ausging, begegneten sie dem Hauptmann Merkel. Sie erzählte „er wurde totenbleich u. ich auch.“ Doch sie war eine heitere Natur und überwand die Sache bald, doch nicht ganz; denn viele Jahre später kam der Vater mit einer Zeitung ins Zimmer und sagte: „Karoline, dein alter Schatz ist als Oberst unverheiratet gestorben.“ Als der Vater wieder weg war, musste die Mutter von diesem Schatz erzählen, sie tats auch u .fügte hinzu: „das ist lange her, aber es tut mir das Herz weh, wenn ich denke, daß er nicht geheiratet hat.“ Wie interessant war diese Liebesgeschichte für uns.
      Doch zurück. Unser Vater schenkte seiner Braut einen Ring, eine Schlange vorstellend, die sich in den Schwanz beißt mit einem kleinen Rubin.(Er ist in 3 Jahren 100Jahre alt.) Ich habe ihn zum letzten Mal an meiner Schwester Luise Hand gesehen.(Jetzt wird ihn wohl Anna Siedel haben.) Sie schenkte ihm ein altes Familienstück, einen merkwürdigen Siegelring, den der Vater jeden Abend ablegte u. der ihm dann mit der oben erwähnten Nadel gestohlen wurde. Von einem Freimaurerball erzählte sie, wozu ihr der Bräutigam, der zu diesem Orden gehörte, weiße Handschuhe schenkte, in die das Freimaurerzeichen mit blauer Seide gestickt war. Da sie noch sehr jung, erst siebzehn Jahre alt war, musste die Hochzeit, gegen die Augsburger sitte, hinausgeschoben werden u. fand erst 14. Nov. 1824 statt.(Sie hat uns nichts davon erzählt, darum muß ich darüber schweigen.)
      Die Wohnung hatte nach dortiger Sitte der Bräutigam eingerichtet, Biedermeierstil, Nussbaum-holz, das jetzt sehr nachgedunkelt ist.. In zwei schönen polierten Schränken brachte die Braut einen großen Wäsche- und Kleiderschatz mit u. die Verwandten hatten schönes Silber gestiftet. Der Bräutigam war Vorstand des protestantischen Waisenhauses, dessen Nähstube berühmt war. Das Geschenk derselben bestand aus einer vollständigen Kindsausstattung. Die junge Frau hatte eine wohlangelernte Magd von Zuhause mitgenommen u. griff mit dieser ihr Hauswesen rüstig an.
      Das Jahr darauf wurde der erste Sohn geboren. Verzweifelt über die Schmerzen seiner Frau rannte der junge Ehemann im Hause herum, und drückte im Jammer ein Fenster ein. Seine fromme Schwester Katharina erzählte mir, er habe ihr damals geschrieben. „da erkannte ich, dass es einen Gott gibt u. schrie zu ihm.“ Nun, es ging Alles normal. Von der Taufe erzählte sie mir von einem Vorspiel derselben. Die Frau Großmama wollte das Kind nach ihrem Mann Ludwig, der Vater Gotthold nennen, da gerieten sie hart aneinander. Die Fr. Großmama schlug mit der Faust auf den Tisch, der Vater auch, aber sie musste nachgeben, wer hätte auch unsern Vater überwinden können.
      Hier will ich wieder einiger Augsburger Sitten gedenken: Gleich am Morgen nach der Geburt musste die Magd dieselbe bei allen Verwandten ansagen. Je nachdem die Verwandtschaft nah oder fern war, fiel das Geldgeschenk für die Magd groß oder klein aus. Die Nächsten bildeten einen Kreis u. schickten 10 Tage lang der Wöchnerin die Suppe. Da diese sich gegenseitig überboten, gings dieser recht gut dabei. Am l0ten Tag bekam sie den schönsten Bettstaat an u. es kamen Besuche, denen Kindbettbrod u. süßer Wein vorgesetzt wurde. Sie nippten und unterhielten sich. Von was denn? fragten wir, „Halt vom Wochenbette“ sagte die Mutter. „Es wird nicht aufregend gewesen sein, doch der Eheherr war empört, „aber“, lachte die Mutter, „er hat nix mache könne.“ Die Sitte war stärker als er. Erst nach 6 Wochen machte die junge Mutter Besuche.(Auch davon hat sie nichts erzählt, aber ich kann mir denken, wie sie aus dem alten Haus in der Kapuzinergasse heraustrippelte mit Kreuzbändelschuhen, einer Kontusche und einem großen Biedermeierhut) Sie hat wohl erst der Frau Großmama die Hand geküsst u. ist dann vielleicht in die Karolinenstraße zu ihren Eltern gegangen, das denke ich mir.
      Dem Gotthold folgte eine Berta, ein Adalbert u. Marie, Georg und Fritz. Die Mutter stillte jedes Kind ein ganzes Jahr u. war dadurch sehr angebunden. Dabei blühte sie immer mehr auf. Sie hat oft genug empört über die jungen Frauen gesprochen, die nach dem ersten Kind aussehen, als wären sie im Krieg gewesen: „Bis zum 6ten Kind“ sagte sie, „muß man immer schöner werden.“ u. sie machte uns das vor. Beim 6ten Kind war sie 28 Jahre alt u. wenn Hr.Dr. Leo, ein Freund des Hauses kam, sagte er immer: „Wo ist die schöne Rahel u. ihr Schmuhl?“ der Vater sagte, sie war heiter u. frisch wie ein junges Fohlen. Eine Zeitlang war ein Frl. Falkenhausen als Gouvernante im Hause; die Mutter mochte sie nicht. „Ihr waren die Kinder Nebensache, sie wollte sich immer mit Männern unterhalten." Da war die Mutter recht froh, als sie sich mit Pfr. Frommel verlobte; aber nun musste sie immer Garde-Dame spielen, bis endlich die Hochzeit alles zu Ende brachte.
      Da trat ein Ereignis ein, das das ganze Leben unsrer Eltern änderte. Ich habe schon erwähnt, dass sie nichts von Gott uo seinem Wort wußten. Da kam an. die 1te Stelle bei St.Jakob der geistgesalbte Pfr. Bomhard. Er sprach von Sünde u. Buße, von einem Erlöser u. von dem Frieden, den er allein geben konnte. Die Gemeinde horchte atemlos, zum Teil auch auf der Straße, weil die Kirche zu klein war. Mehr aus Neugierde gingen die Eltern auch hin u. besonders unser Vater wurde bald ergriffen. Er verschaffte sich eine Bibel u. studierte sie Tag und Nacht. Unsre ruhige, langsamere Mutter folgte bald nach u. Beide richteten ihr Leben nach den biblischen Vorschriften. Eines Tages stieß er auf den Spruch: Euer Schmuck soll nicht auswendig sein mit Haarflechten und Goldumhängen, u. hatte bald unsre Mutter überzeugt, all ihren Schmuck u. ihren Silberschatz zu verkaufen, u. von dem Geld die hl. Gefäße für die neuerstandene Kirche in Karlshuld in Donaumoos anzuschaffen. Sie tat es, obs ihr wohl leicht wurde? Damals vielleicht im Drang der ersten Liebe; aber später hat sie manchmal eine bedauernde Bemerkung gemacht. Sie hatten nun viel Besuch von Geistlichen. Damals ging eine lebendige evangelische Bewegung durch die katholische Kirche, die von dem Bischof Sailer in Regensburg ausging, u. auch in Augsburg viele ergriff. Sie versammelten sich Nachts bei unserem Vater, der mit ihnen las und Bibeln verteilte. Einmal kam er vors bischöfliche Gericht, aber man konnte ihm nichts anhaben Viele Geistliche traten über und hielten sich, bis sie eine Anstellung hatten, im Hause unsrer Eltern auf, wohlgepflegt von unsrer Mutter, die zwar keine geistliche Speise austeilte, dem keuschen Herzens sprach sie von dem Besten in sich am wenigsten. Dagegen war sie dafür, dass der Mensch was ordentliches im Magen habe. Und nun sollten sie ihr Christentum erproben, denn es kamen schwere Tage. Der Teilhaber des Geschäfts, der Mann von unseres Vaters jüngster Schwester Rappold, ein intriganter Katholik, wollte schon lange unsern Vater hinausdrängen. Ich weiß nicht viel davon u. die Mutter vermahnte uns, nicht danach zu fragen; der Schluß war, daß unser Vater mit Frau und 6 Kindern nach Nürnberg zog, um dort ein neues Geschäft zu gründen. Das Augsburger Geschäft war so gut, dass der letzte Rappold kürzlich als Millionär starb. Ob die Summe, die der Vater bekam, groß genug war, weiß ich nicht. Er kaufte das Haus am Webersplatz, das wie eine kleine Burg daliegt. Der erste Stock war vermietet, auch ein Garten war da.
      So fingen sie in Gottes Namen an, aber bald merkten sie, dass es nicht so leicht ist, ein neues Geschäft zu gründen. Vater fing alles mögliche andre an, aber nichts wollte glücken. Unsre Mutter und ihre treue Magd arbeiteten von früh bis nachts. Wilhelm, Anna, ich u. Paul sind in diesem Hause geboren. Unsre Mutter war sehr gesund u. lebte nur für ihre Kinder° Sie erzählte einmal, als Anna am 23.Dez. 1837 geboren war, hatte sie die ganze Bescherung vorher gerichtet. Am 1.Feiertag stellten Berta u. Marie ihre zwei 2 Puppenstuben auf das mütterliche Bett, der Vater saß mit Kaffeetasse u. Zigarre daneben ~. so sollte sie ausruhen. Aber daran dachte sie nicht, wenn nur Alles versorgt u. zufrieden war: Noch einmal kam Geld ins Haus. Die Frau Großmama starb u. hatte ihren beiden Enkelinnen neben einer Geldsumme ihren Schmuck vermacht. Er musste, um redlich zu teilen, zerbrochen werden u. der Schätzer, den Vater kommen ließ, war ganz weg über den Glanz der Diamanten u. Perlen. Ich bin ja überzeugt, daß Vater bei dieser Gelegenheit betrogen worden ist, denn er war bei hoher geistiger Begabung doch recht harmlos, welch letztere Eigenschaft er mir vermacht hat, ich traue auch allen Menschen Gutes zu. Trotz dieser Diamanten konnte der Vater das große Haus nicht länger halten u. wir zogen noch höher hinauf in die Lange Gasse. Der Vikar Löhe, der bei den Eltern gewohnt hatte, war versetzt, aber der Sorge meiner Mutter nicht entrückt. In der Langen Gasse konnte man Niemand aufnehmen, doch hatte Mutter regen Verkehr mit Fr. Dr. Scheibel; ihr Mann war seiner luth. Überzeugung wegen aus Preußen ausgewiesen worden, er starb in Nürnberg, aber seine Tochter Nanni blieb uns eine treue Freundin bis an ihr Ende. Dieselbe besuchte uns eines Tages, als ich 2½ Jahre alt war u. an schwerer Gehirnentzündung darniederlag. Vater und Mutter saßen an meinem Bett u. warteten auf mein Ende. Da ging Anna (4 Jahre alt) mit Nanni ins Nebenzimmer u. fragte sie, ob Gott alles höre, wenn man rufe: Ja, er hört überall Alles. Da kletterte Anna auf einen Stuhl, streckte die gefalteten Händlein zum Fenster hinaus und rief: Lieber Gott, mach doch meine liebe gute Hedel wieder gesund! Und er hörte es, von Stund an ging es besser u. ich wurde wieder ganz gesund, wurde auch nicht blödsinnig, wie der Arzt gefürchtet. Ich habe damals das Kranksein für mein ganzes Leben abgemacht; diese Episode gehört eigentlich nicht hier herein, aber ich wollte sie um Annas willen festhalten. Die treue Magd Marie hatte einen Orgelbauer geheiratet, u. mit der neuen, Kathel genannt, zog die treueste Seele ins Haus, die es geben kann. Auch Berta wuchs heran u. wurde ein Vorbild für ihre Schwestern: sie kam für uns gleich nach der Mutter. Sie war immer fröhlich, nie ungeduldig, die Krone des Hauses nannte sie der Vater. Wir waren in ein großes altes Haus in der Adlerstraße gezogen, das Onkel Rappold, dem doch vielleicht das Gewissen schlug, gekauft und unserm Vater zu billigem Mietzins überlassen hatte. Nun lernten wir erst Nürnberg kennen. Obwohl wir 12 Geschwister waren, war das Haus doch viel zu groß für uns. Die weiten Gänge u. großen Vorplätze boten herrlichen Spielplatz für uns und an das Haus knüpfen sich unsre eigentlichen Erinnerungen. Hier wurde noch Adolf u. Lydia geboren, welch letztere nur 5 Wochen alt wurde. Sie lag dann in unsrer Kapelle aufgebahrt; man sagte uns, sie sei im Himmel u. ihr Sterben war das erste Band, das uns an den Himmel knüpfte. Es dauerte damals länger, bis sich unsere Mutter erholte, denn niemand hatte Zeit, sie zu pflegen, da Gotthold u. Marie an Typhus darnieder lagen, u. Berta alles in allem sein musste. Gerne würde ich hier unsres alten Arztes Dr. Zieh! gedenken, aber es würde zu weit führen. Als Alles wieder gesund war, kamen die Sorgen um die Zukunft der Söhne, kam das Jahr 1848 mit seinen Wirren uo Unruhen. Damals wanderten viele fränkische Bauern aus u. ihnen in Amerika kirchliche Pflege zu verschaffen, war Pfarrer Löhes erstes Bestreben. Manch wohlgeprüfter Candidat zog hinaus und einer, Pfarrer Schaller wünschte unsre Berta als seine Frau mitzunehmen. Ob er wohl wusste, welchen Schatz er unsrer Mutter raubte? Wie viel Liebe unserem Leben ohne sie fehlen werde? Einer unsrer Brüder, Georg war schon als Pastor in Amerika, wo er bald am gelben Fieber starb, und die 2 Ältesten, Gotthold und Adalbert, begleiteten das junge Paar und unser Vater hatte fest vor, im kommenden Jahr mit der ganzen Familie nachzufolgen. Daraus wurde nichts u. wir sahen unsre Geschwister nie mehr. Als wir das erstemal, nachdem sie fort waren, an dem klein gewordenen Tisch saßen, schob unsre Mutter ihren Teller zurück, und große Tropfen rollten über ihre Wangen herab, aber gesprochen hat sie nie über ihren Schmerz: sie konnte leiden, ohne zu klagen. Jetzt ist sie längst in der oberen Heimat mit ihren Kindern ~ereint. Damals kamen ruhigere Zeiten für sie, d.h. Gäste waren immer da. Kamen zu unserem Vater Besuche, so konnte sie sicher sein, dass er sie zu Tisch mitbrachte. Meine Mutter war eine viel zu gute Hausfrau, um je in Verlegenheit zu kommen. Sie hatte aber auch Gäste, die länger blieben; ein christlicher Bäckergeselle, der nach schwerer Krankheit gut genährt werden sollte, wurde wochenlang von der Mutter genährt u. gepflegt. Eine Frau von Wirsing aus Zwikau, die auf der Reise krank geworden war, wurde 6 Wochen von der Mutter gepflegt, obwohl Dr. Ziehl brummte.
      Und wie barmherzig war sie, ich habe erlebt, daß sie mir den Rock auszog u. ihn einem armen Kinde gab. Waren Holzhauer da, so kochte sie für die ganze Familie. Sie wurde ja gewiß oft betrogen, aber sie sagte, das ist einerlei, der liebe Gott weiß, wie ich's meine. Sie lebte nur Anderen. Was ihre Freude war, Musik, für die sie hochbegabt war, Zeichnen u. Malen, alles hat sie aufgegeben, aber sie hat diese Gaben in reichem Maße auf Kinder u. Enkel vererbt.
      Ihre zweite Tochter Marie hatte sich 1852 mit Pf. Reuter in Nürnberg verheiratet, ich verheiratete mich 1860. Doch kann ich nicht gerade sagen, daß sie ihren Schwiegersöhnen nahe trat. Vor Reuter hatte sie sehr großen Respekt, u. meinem Mann konnte sie's nie vergessen, dass er fähig war, mich zu wählen, während doch die schöne Anna, die sie über Alles liebte, vorhanden war. Sie sagte damals sehr alttestamentlich: ,Anna ist die ältere u. wenn's ihr weh tut, kann aus der Sache nichts werden¢~ Da rief Wilhelm, der Freiwerber: ,Er will doch nicht die Anna, sondern die Hedel¢° Dann trat er vor mich u. sagte: „Willst du ihn haben oder nicht?“ „Freilich will ich ihn haben,“ sagte ich, aber Mutter konnte sich nicht überwinden, mir ein Wort zu sagen, u. erst als sie sah, daß Anna sich mit mir freute, beruhigte sie sich. Als auch ich das Elternhaus verlassen hatte, war unsre Mutter erst 53 Jahre; sie klagte über nichts, aber alterte zusehends. Sie war eine Greisin in Jahren, wo Andere noch in voller Kraft stehen. Ach, sie hatte die Last des Lebens zu bald auf die Schultern genommen, nun war ihre Kraft verbraucht. Sie genoß die Ruhe der letzten Jahre sehr; Anna u. Luise pflegten sie in jeder Weise u. wenige Tage vor ihrem Tod sagte sie. ,Jetzt möchte ich noch länger leben." Jeden Morgen stand der Vater vor ihr auf u. ging ins Geschäft. Dann ging Anna zur Mutter, half ihr beim Ankleiden u. frisierte sie. Aber als sie am 8.Mai 1863 an der Mutter Bett trat, sah diese sie mit wirren Augen an. Sie wollte noch einmal Anna sagen, da trat ein Schlaganfall ein u. das Bewusstsein war geschwunden. Sie lebte noch bis zum andern Tag um 11 Uhr. Man hatte mich telegraphisch berufen u. ich wachte die Nacht bei ihr, weil die Schwestern zu angegriffen waren. Unter unsern Gebeten schlief sie sanft ein. Sie ruht auf dem Johannisfriedhof in Nürnberg. Sie ruhe in Frieden, der Dank ihrer Kinder folgt ihr nach.