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Familiendaten der
Paul Wolfgang Merkelschen Familienstiftung Nürnberg
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1884 - 1967 (82 Jahre)
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Name |
Ernst Freudenberg |
Titel |
Prof.Dr.med. |
Geburt |
24 Jun 1884 |
Weinheim |
Geschlecht |
männlich |
Beruf |
Marburg |
Prof. der Pädiatrie in Marburg und Basel |
Tod |
7 Jun 1967 |
Basel |
Personen-Kennung |
I21579 |
Paul Wolfgang Merkel |
Zuletzt bearbeitet am |
12 Jan 2020 |
Familie |
Ida Siegheim, geb. 1887 gest. 1951 (Alter 64 Jahre) |
Eheschließung |
1910 |
Kinder |
| 1. Renata Freudenberg, geb. 02 Jul 1911, München,,,,,,,, gest. 3 Jul 1977, Vancouver CA (Alter 66 Jahre) |
| 2. Marie Louise Freudenberg, geb. 9 Jun 1913, Heidelberg gest. 2004, Long Island New York (Alter 90 Jahre) |
| 3. Agnes Freudenberg, geb. 1918 gest. 12 Jul 1993, New York (Alter 75 Jahre) |
| 4. Brigitte Freudenberg, geb. 1919 gest. 1987 (Alter 68 Jahre) |
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Zuletzt bearbeitet am |
2 Aug 2019 |
Familien-Kennung |
F9568 |
Familienblatt | Familientafel |
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Notizen |
- https://www.leo-bw.de/web/guest/detail/-/Detail/details/PERSON/kgl_biographien/117715808/Freudenberg+Ernst
Nachruf
ERNST FREUDENBERG 24. Jun: 1884 bis 7. Juni 1967
Am 7. Juni 1967 abends, kurz vor 21 Uhr, starb in Basel Prof. Dr. med. Ernst Freudenberg, Ehrenmitglied der Akademie seit 1958. Dieser große Mann, Naturforscher und Philosoph, hat seine historisch interessierte Haltung Leben und Leiden gegenüber bis ans Ende bewahrt. Noch zuletzt verfolgte er mit wachem Interesse das politische Geschehen und bat 2 Tage vor seinem Tode, als die Nachrichten vom Sechstagekrieg aus Israel eintrafen, darum, daß man ihm aus der Bibel die Geschichte von David und Goliath vorlese. Prof. Freudenberg ist ohne Todeskampf aus dieser Welt gegangen; der Frieden eines erfüllten Lebens blieb auf seinem Antlitz bestehen.
Ernst Freudenberg ist am 24. Juni 1884 in Weinheim an der Bergstraße (Deutschland) geboren. Er stammte aus einer Familie von Gerbern, die dort noch heute eine große Lederindustrie betreibt. In der glücklichen Zeit der Wirtschaftsblüte Ende des letzten Jahrhunderts wuchs er auf, und seine Kindheit wurde geprägt vom patriarchalischen Familienleben. Ein Leben halb auf dem Lande, umgeben von Tieren und Blumen, voller Naturverbundenheit, hat sich Freudenberg bis in sein höchstes Alter bewahrt. Das Humanistische Gymnasium Frankfurt und der Militärdienst bei der Artillerie in Karlsruhe gingen seinem Studium voraus. Zuerst faßte er in Leipzig Kontakt mit Philosophie und Psychologie. In München kam er 1904 von der Psychologie über die Anthropologie zur Medizin und widmete sich von da an sehr zielbewußt seiner ärztlichen Ausbildung. 1910 schloß er diese mit dem Doktorexamen ab.
In München genoß er den vielfaltigen Kontakt der anregenden Atmosphäre der Kunststadt. Damals begeisterten ihn die Malerei der Sezession, Schauspiel und Musik. Große Wanderungen in den Alpen Bayerns und Südtirols im Kreise seiner Freunde waren üblich. Noch im hohen Alter hat Freudenberg, der die Schweiz zuerst als Alpinist, dann als Pädiater kennengelernt hat, mit Stolz von den Viertausendern gesprochen, die er einst bezwungen hatte. Bergwanderungen auf Skiern liebte er ganz besonders.
Diese Liebe teilte er mit seiner späteren Gattin, Ida Siegheim aus Oberschlesien. Die medizinisch-pädiatrische Ausbildung genoß Freudenberg zuerst bei Prof. Ibrahim an der Münchner Kinderpoliklinik. Im Jahre 1912 zog Freudenberg ins Elsaß, um bei Hofmeister in Straßburg zu arbeiten.
Von dort aus ging er zu Moro an die Kinderklinik Heidelberg. Damals kamen seine ersten Arbeiten über Säuglingsernährung heraus. Diese begründeten seinen wissenschaftlichen Ruhm.
Mitten in dieser Tätigkeit erhielt er den Stellungsbefehl als Feldarzt.
In den 4 ½ Kriegsjahren verließ er die Stellungen der Westfront nur während eines kurzen Urlaubes, der ihm für die Habilitation vergönnt war. Freudenberg hat selten über die Hölle des Krieges von Verdun und Flandern ge[115]sprochen. Er war dabei, als die Gasvergifteten tracheotomiert wurden. Er hat in der Feuerlinie Verwundete verbunden und mit seinen Sanitätern geborgen. Ein gütiges Geschick hat ihn verschont. In seinem Regiment galt er als kugelfest. Die seelischen Wunden sind aber nie ausgeheilt. Das Eiserne Kreuz erster Klasse und die andern Orden, die er erhalten hat, trug er niemals. Er gab sie seinen Enkelkindern während des Zweiten Weltkrieges als Spielzeug. Im Herbst 1918 wurde er in der Frontlinie beim Bergen eines Verwundeten gefangen und nach England abtransportiert. Nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft 1919 lief die strenge Arbeit in der Heidelberger Kinderklinik und im Laboratorium weiter, als sei sie nie unterbrochen worden. Die Hungerjahre des Nachkrieges stellten ihn vor neue Probleme. Während der Inflation kam der Ruf an die Universität Marburg (1922). Die Zeit von 1922-1933 war die glücklichste für sein Wirken und sein wissenschaftliches Arbeiten. Als äußerer Ausdruck und Hohepunkt dieser Tätigkeit darf die glanzvolle Einweihung der neuen Klinik im Jahre 1927, die mit der 400-Jahrfeier der Marburger Universität zusammenfiel, erwähnt werden.
Freudenberg hat viele Auszeichnungen und Ehrungen erhalten. Er hat sie alle dankbar angenommen, aber sie waren ihm unwichtig. Sein Interesse blieb bis zuletzt bei den wissenschaftlichen Problemen und bei seinen Patienten.
Arbeiten, Pläne und Hoffnungen wurden durch die politische Entwicklung 1933 jäh in Frage gestellt. Von Freudenberg verlangte man die Trennung von seiner Gattin und überwachte seine Vorlesungen. Spitzel notierten, was dem Regime nicht genehm war. Die Absetzung von seinem Amte fiel in die Semesterferien, weil man es der Studenten wegen nicht wagte, den beliebten Dozenten während seiner Vorlesungen zu entlassen. Freudenberg wählte unter neuen Stellenangeboten Basel. Er wollte in Europa bleiben. Für Basel war dies ein großer Gewinn. Freudenberg hatte schon längst in der ganzen Welt Anerkennung gefunden. Er kam mit seinen vielen Anregungen, seinem wissenschaftlichen, nie rastenden Forschergeist nach Basel und befruchtete hier die Pädiatrie mit neuen Ideen. Sein Verdienst ist es, daß wissenschaftliche Aktivität und Forschung in Basel zum Zuge kamen und der Kontakt mit den andern Kliniken intensiviert wurde. Die Zahl wissenschaftlicher Beiträge, Vorträge und Publikationen hat zugenommen; eine Schule Freudenberg hat sich entwickelt.
Wie sehr sich seine Ausstrahlung ausgewirkt hat, sieht man am ersten, 1954 erschienenen Band der «Modernen Probleme der Pädiatrie», der zu seinem 70. Geburtstag 133 Autoren aus der ganzen Welt mit Originalbeitragen vereinigt hat. Das ganze Spektrum der damaligen wissenschaftlichen Fragenkomplexe und Probleme der Kinderheilkunde wird in diesem Bande angetönt. Der Rückblick auf den Lebenslauf Freudenbergs gibt ein schönes Bild glänzender Entwicklung und fruchtbarer Tätigkeit. Der Name Freudenbergs ist aufs engste verbunden mit der Gründung der modernen Kinderheilkunde und den Schöpfern der Biochemie. Groß ist die Zahl der [117] von Freudenberg ausgebildeten Schüler, hervorragend und anregend sind alle Arbeiten Freudenbergs. Die schöpferische Arbeit, deren Auswirkungen In Klinik und Fakultät, in der Schweiz. Pädiater-Gesellschaft sowie in der Medizinischen Gesellschaft Basel haben Freudenberg die größte Hochachtung und Anerkennung gebracht.
Die Interessen galten aber nicht nur der Pädiatrie, sondern er führte sein Leben in Verbundenheit mit Natur, Poesie und Literatur.
So konnte er in vielen Dingen und besonders in schweren Schicksalsstunden mit philosophischer Gelassenheit sei seelisches Gleichgewicht behalten.
Das Andenken an Prof. Freudenberg wird lebendig bleiben in der wissenschaftlichen und praktischen Kinderheilkunde als das eines großen Menschen mit weit über die Grenzen seines und unseres Landes hinaus reichender Auswirkung, als das Bild eines kultivierten, feinsinnigen, der Natur nahe stehenden Philosophen, und vor allem als Bild eines anregenden, kritischen, wissenschaftlich denkenden Freundes und Lehrers.
A[dolf] Hottinger, Basel
Bulletin der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften = Bulletin de l'Académie Suisse des Sciences Medicales = Bollettino dell' Accademia Svizzera delle Scienze Mediche
24 (1968) 115-117
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